Freitag, 25. Mai 2018

Der Betrachter als Teil des Kunstwerkes

Die Figurengruppe „Die Bürger von Calais“ ist ein Werk von Auguste Rodin, einem berühmten französischen Bildhauer des späten 19. Jahrhunderts, und stellt eine historische Begebenheit aus dem Mittelalter dar.

Geschichte:

- Calais ist eine französische Hafenstadt, in der das Denkmal errichtet wurde
- Die Stadt wurde während des Hundertjährigen Kriegs von England belagert
- Das Volk war ausgehungert und von der Außenwelt völlig abgeschnitten
- Der englische König stellt eine Bedingung an das Volk: es sollen 6 reiche Bürger aus der Oberschicht gefunden werden, die in Lumpen gekleidet sind, einen Strick um den Hals tragen und ihm Schlüssel der Stadt übergeben dafür sollte die Belagerung aufgehoben weren
- Es ergeben sich 6 Bürger, die ihre Stadt retten wollen
- Sie zahlen einen hohen Preis für die Rettung ihrer Stadt: sie sollen erhängt werden (symbolisch dazu der Strick)
- Zur gleichen Zeit war die englische Königin schwanger und bat ihren Mann Gnade vor Recht zu ziehen, also die Männer nicht zu töten
- Mut und Entschlossenheit, sich für andere zu Opfern, rettete den Männern das Leben, das Schicksal hat sie belohnt


Darstellung des Denkmals:

- Die Stadträte von Calais gaben den Auftrag für ein Heldendenkmal an Auguste Rodin
- Die sechs Bürger sollten stolz und heroisch dargestellt werden, und vor allem durch einen hohen Sockel hervorgehoben werden

-Für Rodin dagegen war das eine tolle Gelegenheit zu zeigen, was ihm wichtig war: Was passiert mit Menschen, die den Tod vor sich haben? Wie reagieren sie? Was geht in ihnen vor?

- Die Personen sind etwas größer dargestellt (Überlebensgroß)
- Statt eines hohen Sockels gibt es nur eine flache Plinthe ->Figuren stehen auf dem Boden
- Die heroische Darstellung fehlt, die Gesichter der Männer zeigen Angst, Verzweiflung, Panik, aber auch stoische Ruhe und Schicksalsergebenheit, da sie in dem Moment dem sicheren Tod entgegen gehen
- Er stellt 6 verschiedene Charakterstudien, Altersstufen und Arten mit dem Tod umzugehen dar
-Trennung von Jung und Alt: die Jungen sind verzweifelt, da ihnen das Leben gestohlen wird, wohingegen die älteren weitaus mehr erlebt haben


Beziehung zum Betrachter:

- Die Figuren sind in einer Art Spirale angeordnet, so dass der Betrachter um die Statue herumlaufen muss, wenn er alles sehen möchte -> Mobilisierung (All-ansichtige Figur, es gibt keine "Schauseite")
- Es entsteht die Möglichkeit sich mit den Personen zu identifizieren-> Wie würde ich selbst reagieren?
- Man kann sich sowohl körperlich als auch geistig hineinversetzen, da die Figuren auf der gleichen Ebene stehen wie der Betrachter
- Modellierung: keine glatte Oberfläche, Tonbrocken, Fingerabdrücke bleiben auch nach dem Bronzeguss sichtbar
- viele konkave Formen, tiefe Faltenwürfe
- Durch die grobe Oberflächenbeschaffenheit spiegelt sich das (Sonnen)Licht unterschiedlich, ein lebendiges Schattenspiel entsteht, was zu einer Illusion von Bewegung führen kann



Minimalismus


Der Künstler Carl André versucht in seinem Werk mit dem minimalsten Eingriff den Raum zu verändern


- Er platziert in den Gang eines Museums quadratische Stahlplatten auf den Marmorboden
- Die Stahlplatten hat er von einem Walzwerk herstellen lassen
- Man frag sich nun: Was war der Künstlerische Akt? Ist das überhaupt ein Kunstwerk?
- Die künstlerische Leistung besteht darin, die Platten nach seinen Vorgaben herstellen zu lassen und in einer bestimmten Anordnung und an einer bestimmten Stelle in den Raum legen zu lassen (Konzept)
- Idee und Umsetzung -> Kunst

- Normalerweise ist es streng verboten, Kunstwerke im Museum anzufassen oder gar darauf herumzulaufen
-Da dieses Werk aber so positioniert ist, dass man kaum daran vorbeikommt, ist die Intention des Künstlers klar -> die Menschen sollen und müssen darüber laufen

- Der Museumsbesucher ist nicht mehr nur Betrachter, sondern wird in die Installation mit einbezogen -> er wird Teil des Kunstwerkes
- Sorgt für ein ungutes Gefühl, weil man glaubt, etwas Verbotenes zu tun (Tabubruch)
- Kann aber auch zu einem Gefühl der Erhabenheit werden, da man Teil von etwas Besonderem geworden ist -> dieses Konzept wird außerhalb der Kunst oft verwendet um Personen besonders hervorzuheben oder vom Alltag abzugrenzen -> Roter Teppich, Catwalk, Prozessionsteppiche




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